Raus aus dem Stau!

Der alltägliche Verkehrsinfarkt in Würzburg ist allen bekannt. Ob am Berliner Ring oder an anderen Verkehrsknotenpunkten – Würzburg steht! Dies gilt leider auch in Hinblick auf eine zukunftsweisende Verkehrspolitik. Die „autogerechte Stadt“, wie sie in den 50er bis 70er Jahren propagiert wurde, ist in zahlreichen wissenschaftlichen Arbeiten längst als überholt eingestuft. In Würzburg ist sie noch quicklebendig. Die Verteilung der Verkehrsmittelwahl ("Modal Split") durch die Einwohner, Pendler und Touristen ist immer noch massiv vom Auto beherrscht. In der Stadt Würzburg werden die Wege nach der letzten Erhebung aus 2009 zu 49 % mit dem Auto zurückgelegt, im Landkreis Würzburg sind es 67 %. Dabei lag der Anteil des Autoverkehrs im Stadtgebiet Würzburg 1993 noch bei 36 %.

Eine Verkehrswende, eine zukunftsorientierte Umgestaltung der Stadt hin zu vielfältigen Verkehren kann nur mit allen Beteiligten erfolgen. Hier müssen alle – Einwohner, Wirtschaft, Verwaltung, Touristen – durch attraktive Angebote gelockt, aber auch in die Pflicht genommen werden. Ziel dieser Neuausrichtung ist die Steigerung der Lebensqualität in Würzburg. Mehr Raum für den Menschen, weniger Verkehrsbeeinträchtigungen! Mehr Ruhe und Zeit zum Entspannen, weniger Stau und Emissionen! Frische Luft statt Stickoxide und Feinstaub!

Straßenverkehr

Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten. Dieser Grundsatz gilt in Würzburg im Besonderen, da wir in unserer Stadt nur geringe Entwicklungsflächen haben, aber viel Bedarf und ein hohes Verkehrsaufkommen. Trotz der Vision einer Verkehrswende wird es auch in Zukunft noch notwendige Autofahrten geben. Das bestehende Wegenetz muss in Schuss gehalten werden. Aber der Ausbau des Straßennetzes zugunsten des Autoverkehrs, z.B. am Greinbergknoten, ist grundlegend abzulehnen. Der Abkürzungsverkehr über unseren Südring sorgt für viel Stau und Luftverschmutzung und nutzt unsere Straßen stark ab. Um dem entgegenzutreten wird DIE LINKE das Durchfahrtsverbot für LKW (wie in Dresden), eine Citymaut und die Prüfung einer Beschränkung der Geschwindigkeit auf den außerstädtischen Zufahrtsstrecken beim Bund einfordern. Planungen wie der Durchbruch durch das Steinlein (Steinleintrasse) sind abzulehnen, da hier Stauumgehungsverkehre an einer Schule, einem Kindergarten und einem Aktivspielplatz vorbeigeführt werden.

Radverkehr

Würzburg wird von Einheimischen wie von Touristen nicht als fahrradfreundliche Stadt wahrgenommen. Dies liegt nicht nur an den unattraktiven Radwegen durch die Stadt, sondern auch daran, dass die Verwaltung dazu neigt, Baustellen und Umleitungen ohne eine Umgehung für den Radverkehr zu errichten. Man könnte fast schon vermuten, dass die Verwaltung nicht an Radfahrer denkt. Beispiele hierfür sind die Sperrungen von Radwegen bei Messen und Festivals auf den Mainwiesen an der Talavera oder bei Baumaßnahmen wie z.B. in der Nürnberger Straße. Die Rottendorfer Straße hat von oben bis runter zum Rennweg keinen Fahrradweg. In Würzburg werden Radwege auf Gehsteige und Zebrastreifen geleitet (bspw. am Übergang Seinsheimstraße in die Valentin-Becker-Straße) sowie Beschilderungen konzeptlos verteilt. All dies irritiert und frustriert die Radfahrer nicht nur, es gefährdet sie auch.

Im Zuge der Verkehrswende muss man als Radfahrer angstfrei durch Würzburg fahren können und das Gefühl haben, dass man willkommen ist. Die beschlossenen Radwegenetze sind umgehend auszubauen und zu ertüchtigen und neue Radwege dürfen nicht als Anhängsel an eine Straße geplant werden. Pendler müssen die Möglichkeit haben, ihren Wagen außerhalb stehen zu lassen und das letzte Teilstück mit dem Fahrrad zurückzulegen.

 

Öffentlicher Personennahverkehr

Würzburg hat im Bereich des ÖPNVs große Potenziale, aber auch einen sehr großen Aufholbedarf.

Die Busflotte wird zwar kontinuierlich modernisiert, trotzdem werden aktuell immer noch Dieselfahrzeuge gekauft. Dabei müssten schon längst umweltfreundliche Antriebsarten erprobt werden um die Flotte schrittweise von fossilen Energieträgern zu befreien (Decarbonisierung). Sowohl in Tagesrandzeiten als auch weiter entfernten Stadtteilen fordern wir zumindest einen 10-Minuten-Takt. Weiterhin brauchen wir Busspuren, damit der ÖPNV gegenüber dem Autoverkehr bevorzugt wird. Alle Busse und Haltestellen sind inklusionsgerecht auszustatten und es müssen mehr digitale Anzeigetafeln angeschafft werden, die nicht nur über reale Abfahrtszeiten, sondern auch Störungen informieren. Die Fahrzeuge des ÖPNVs sollen mit WLAN und Klimaanlagen ausgestattet sein.

Die Straßenbahnlinien in Würzburg müssen massiv ausgebaut werden. Hierfür stellen der Bund und das Land Bayern gerade Gelder zur Verfügung. Doch es reicht nicht, sich auf der noch nicht beendeten Erweiterung der Linie 5 und den Planungen der Linie 6 auszuruhen – wir müssen in Würzburg weiter denken. Die Linie 6 sollte nach Baubeginn gleich weiter als Linie 6+ bis zu einem zukünftigen Bahnhaltepunkt an der Kitzinger Straße fortgeführt werden. So müssten Pendler aus Richtung Rottendorf zum Frauenland nicht erst durch die Innenstadt. Ebenso erhöht der Verkehrsdruck aus dem Norden die Notwendigkeit, die bereits lange versprochene Linie 7 nach Versbach und Lengfeld zu überplanen und auf den Weg zu bringen. Sie ist bereits Bestandteil des Green-City-Masterplans, der umgesetzt werden muss. Beim Neuerwerb von Straßenbahnzügen muss ab sofort auf Zweirichtungszüge geachtet werden um Wendeschleifen einzusparen. Alte und nicht behindertengerechte Fahrzeuge sind zügig zu ersetzen.

Für eine sinnvolle und schnelle Verbindung von Stadt und Landkreis sind Regionalbahnen unerlässlich. Doch schlechte Taktung und Versorgungslücken in Tagesrandzeiten minderten bisher deren Attraktivität. Immerhin wird derzeit das Fahrtenangebot schrittweise bis Ende 2021 verbessert, was sich vor allem auf die Bahnen nach Schweinfurt/Bamberg sowie Lauda/Osterburken positiv auswirkt. Damit nehmen auch die Verbindungen zwischen Haupt- und Südbahnhof zu. Doch um perspektivisch eine mainfränkische S-Bahn zu schaffen, muss die Taktung weiter erhöht werden, auf mindestens halbstündliche Fahrten in Tagesrandzeiten und viertelstündliche in den Hauptverkehrszeiten in alle Richtungen. Für den Stadtverkehr ist es positiv, dass die Bahnhaltepunkte Heidingsfeld-West und -Ost reaktiviert werden. Hier muss jedoch Druck auf die Deutsche Bahn ausgeübt werden, damit dies schneller erfolgt. Heidingsfeld-West lässt sich über die Straßenbahnhaltestelle am Heriedenweg ideal mit dem städtischen Nahverkehr verknüpfen, ähnlich wie die geplante Linie 6 am Südbahnhof. Ein weiterer Bahnhaltepunkt könnte am Heimgarten entstehen, nachdem der frühere Bahnhof dort 1981 geschlossen worden ist.

Taxis können gerade in den Randzeiten gut in den ÖPNV eingebunden werden. Besonders ein Angebot an Sammeltaxis und an Frauennachttaxis kann für eine Belebung sorgen. Auch die Zubringerfahrten zu ÖPNV-Knotenpunkten können durch Taxis übernommen werden. Eine Kommunalisierung der Taxibetreiber ist denkbar um gezielt ökologischere Antriebsarten zu fördern und die sozialen Standards für die Taxifahrer heben zu können.

DIE LINKE setzt sich klar für einen kostenlosen ÖPNV ein. Hierin sehen wir die Chance eines sozial-ökologischen Umbaus. Durch das kostenlose Angebot können alle Bürgerinnen und Bürger teilhaben und sind somit in der Lage, ihre Mobilität unabhängig vom Geldbeutel zu gestalten. Erfolgreiche Konzepte und Varianten eines entgeltlosen Systems im Nahverkehr sind in mehreren europäischen Städten (u.a. in Augsburg) zu erkennen. Auch das Semesterticket ist ein solcher Ansatz. Die Identifikation der Menschen mit ihrem ÖPNV kann dadurch gefestigt werden.

Weiterhin reduziert eine verstärkte Nutzung des ÖPNVs den Anteil des Autoverkehrs, wodurch Staus und Straßenabrieb vermindert werden und für eine bessere Ökobilanz gesorgt wird. Die Kosten der Ticketautomaten und -kontrollen würden entfallen. Nicht zu vernachlässigen ist der touristische Aspekt, denn so können Gäste unserer Stadt schnell und unkompliziert den Nahverkehr nutzen. Diese Kombination positiver Optionen nötigt es der Kommunalpolitik auf, schnellstmöglich rechtlich gültige und weitreichende Planungen in Angriff zu nehmen und Druck auf die bayerische Staatsregierung sowie den Bund auszuüben, rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen dafür auszugestalten. Ein 365-Euro-Ticket kann nur eine Übergangslösung hin zu einem ticketlosen Nahverkehr sein.

Park & Ride

Zwar fordern alle Parteien Park & Ride, wir wollen aber ein umfassendes und zukunftsweisendes Konzept für Würzburg entwickeln und es schnellstmöglich umsetzen. Die Plätze müssen mehrheitlich im Umland errichtet werden um Pendler und Besucher außerhalb der Stadtgrenzen zum Umsteigen zu überzeugen. Hierfür braucht es aber nicht nur geeignete Standorte, sondern auch einen gut ausgebauten ÖPNV mit enger Taktung.

Eine haarsträubende Fehlplanung der Stadt ist das angeblich für Park & Ride geplante Parkhaus in der südlichen Sanderau. Dieses lehnen wir entschieden ab. Zum einen dürfte es hauptsächlich von Schülern der benachbarten Berufsschule und Besuchern der S.Oliver-Arena genutzt werden, was mit Park & Ride nichts zu tun hätte. Zum anderen müsste dafür eine wertvolle Grünfläche mit einem beliebten Minigolfplatz geopfert werden. Doch die Anlage passt bereits jetzt viel besser zum benachbarten Spielplatz und in das Erholungsangebot mit ihrer Verbindung zu den Mainwiesen und den Sportanlagen entlang der Randersackerer Straße. Dort, etwa im Bereich der Feggrube, gibt es derzeit genügend oft nicht ausreichend genutzte Parkflächen. Sinnvolle Park-&-Ride-Plätze sehen wir stattdessen auf bereits versiegelten Flächen oder auf bereits genutzten Verkehrsflächen. Besonders im Umland wird es nötig sein, diverse Plätze auszuloten. Ein besonderer Anreiz könnte auch durch E-Ladesäulen an den Park-&-Ride-Plätzen geboten werden.

Fußwegenetz

Bei der Diskussion um Aufteilung der Verkehrswege zwischen Auto-, Rad- und öffentlichem Personennahverkehr kommt der „schwächste“, aber umweltfreundlichste Verkehrsteilnehmer oft zu kurz. Dabei müssen für Fußgänger vielerorts dringende Verbesserungen erfolgen. Das Wegenetz muss durch bessere und breitere Gehwege, auch durch eine Umstrukturierung des Parkraummanagements, aufgewertet werden.

Zudem ist es ein Unding, dass die Stadt Würzburg vielerorts an Kreuzungen so genannte „Bettelampeln“ angebracht hat, die die Umschaltung auf Grün erst dann veranlassen, wenn tatsächlich der Taster gedrückt wird. Das ist eine Benachteiligung für Fußgänger, denn die Ampel sollte immer dem Verkehrsfluss gemäß Grün geben, aber länger Grün, wenn Geh- oder Sehbehinderte den Taster betätigen. Das Dauerrot bei Nicht-Drücken verwirrt unkundige Fußgänger und nicht selten gehen diese frustriert bei Rot über die Straße, womit sie sich und andere oft in Gefahr bringen. Auch bei reinen Fußgängerampeln über viel befahrene Straßen gibt es Licht und Schatten: Während am Berliner Ring die Ampel zum Haugerring nach wenigen Sekunden schaltet, wartet man auf der anderen Seite an der Schweinfurter Straße oft mehrere Minuten. Solche Wartezeiten gilt es abzuschaffen. Wir brauchen zudem mehr Fußgängerüberwege („Zebrastreifen“) und Fußgängerzonen, v.a. in der Innenstadt. Die Lösung an der unteren Theaterstraße wurde leider nur halbherzig ausgeführt. Perspektivisch ist die gesamte Innenstadt möglichst autofrei zu entwickeln.

Verkehrswende

Würzburg ertrinkt im Mobilitätsbedarf der Menschen, die Infrastruktur ist überlastet. Wer sein Heil in noch mehr Straßen sucht, wird gerade in Würzburg scheitern. Beispiele in anderen deutschen Städten zeigen, dass unsere Ideen umsetzbar sind. Durch die Kessellage könnte man nicht einmal das Straßennetz ausbauen und somit muss die Lösung in der Attraktivierung und besseren Abdeckung des ÖPNVs und des Radverkehrs liegen. Sich dieser Erkenntnis zu verwehren, hieße Würzburgs Chancen zu verspielen.

Wir brauchen in Würzburg die Verkehrswende!